Der Hosenanzug
1930 feierte Marlene Dietrich ihren ersten großen Hollywood-Film „Marokko“, in dem sie im Smoking eine andere Frau küsst. Damit revolutionierte sie nicht nur die Modewelt, sie brach auch gleichzeitig mit der traditionellen Geschlechterrolle. Und so zeigte sich Marlene Dietrich auch in ihrem privaten Kleidungsstil oft in Herrenkleidung und ließ sich gerne im Anzug fotografieren. Ihre weit geschnittenen, hoch in der Taille sitzenden Stoffhosen waren zu ihrer Zeit revolutionär und symbolisierten der Frau die Freiheit auf Kleidung. Dieser Bruch mit den Stilregeln ihrer Zeit sorgte für großes Aufsehen. Von ihrem maskulinen Kleidungsstil fühlten sich Frauen und Männer gleichermaßen angezogen und ihr Freund Kenneth Tynan schrieb über sie: „She has sex but no positive gender“ (Sie hat ein Geschlecht, aber keine klare Geschlechtsidentität).
Noch bis Anfang der 20. Jahrhunderts war die Frau dem Mann nicht gleichgestellt. Ihre „Unfähigkeit, richtig arbeiten zu können“ wurde durch die umständliche und einzwängende Kleidung symbolisiert. Die schweren Röcke und die einschnürenden Korsetts hinderten die Frauen daran, sich normal und leicht zu bewegen. Bereits 1915 befreite Coco Chanel mit ihren Entwürfen die Frau vom Korsett. Sie entwarf in ihrem Pariser Modesalon schlichte und locker umspielende Kleider aus Baumwolljersey und schuf eine funktionale Mode mit klaren Linien und einer neuen Eleganz.
Der erste Weltkrieg zwang die Frauen dazu, in Fabriken schwere körperliche Arbeit zu leisten. Im Rock war das fast unmöglich und so fand die Hose den Weg in die Kleiderschränke der Frauen. Nach Kriegsende jedoch erwachte wieder der Wunsch nach mehr femininer Weiblichkeit und Dior traf mit seinen Kreationen den Puls der Zeit. Die Frau trug nun wieder Rock, alles etwas schwingender in edlen Stoffen und Schuhe mit hohen Absätzen. Das Schönheitsideal Wespentaille etablierte sich und die Hose, die Frau noch im Schrank hatte, war nun lediglich die Caprihose. Eine leichte Sommerhose, die ideal für die Freizeit schien.
Der Saint-Laurent-Smoking “Le Smoking”
Revolutionär war 1958 die erste Kollektion „Ligne Trapèze“ des jungen Designers Yves Saint Laurent für das Modehaus Dior. Saint Laurent befreite die Frauen vom Zwang zur Wespentaille – die damalige dominierende Silhouette des Modehauses Dior – und präsentierte sie weniger steif und trotzdem elegant. Er entfernte die Versteifungen an Taille, Brust und Schultern und gab dem Kostüm ein neues und modernes Aussehen und verjüngte über sechs Saisons die Dior-Kreationen dramatisch. Auch der junge Saint Laurent schien – ebenso wie bereits 1915 Coco Chanel – zu spüren, dass die Zeit gekommen war, den weiblichen Körper von starren Zwängen zu befreien und in in eine neue, bewegliche Eleganz zu kleiden.
1962 war es dann die französische Schauspielerin Catherine Deneuve die es der großen Marlene Dietrich gleich tat und öffentlichkeitswirksam den „Le Smoking“, einen für Damen modifizierten Smoking von Yves Saint Laurent, trug. Der Saint-Laurent-Smoking war ebenfalls ein Symbol der Emanzipation der Frauen in den 1960er-Jahren und wird noch heute in den Kollektionen des Modehauses Saint-Laurent angeboten.
Der elegante Damen-Smoking wurde mit den Jahren in Form, Farbe und Schnitt zum Hosenanzug modifiziert. In der Damenoberbekleidung wird der Hosenanzug ganz nüchtern als ein Ensemble aus Jacke und langer Hose bezeichnet. Zu finden ist er seit Jahrzehnten in den Kleiderschränken von Frauen, die in ihrem beruflichen Kleidungstil Wert auf eine zurückhaltende und seriös wirkende Ausstrahlung legen. Diesen zurückgenommenen, sehr schlichten Kleidungsstil hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr geprägt. Ihre Vorliebe für Hosenanzüge ist legendär und während diese Vorliebe einerseits „stilbildend“ gewürdigt wird, zieht sie mit diesem nichtssagenden Kleidungsstil auch Spott auf sich.
Der Hosenanzug: Modischer Ausdruck der Emanzipation
Da macht es derzeit geradezu große Freude zuzuschauen, wie die großen Modehäuser den angestaubten Hosenanzug wieder zu einem lebendigen, kraftvollen und vor allem weiblichen Kleidungsstück wiederentdecken. Der heutige Hosenanzug umspielt gekonnt die weiblichen Linien und kommt in so vielfältigen Ausführungen daher. Er ist entweder figurbetont klassisch geschnitten daher, besticht durch seine Farbvielfalt und wird im Oversize-Stil getragen. Herausragend sind hier die Kreationen von Victoria Beckham – eine Meisterin in der Neuinterpretation des Hosenanzugs.
Wenn Frau Lust darauf hat, dass der Hosenanzug auch ein modisches Statement sein soll, findet sie in den aktuellen Kollektionen eine Vielzahl von mutigen Kreationen. Leo-Print, bunte Farben, ein Anzug aus Cord oder ein Mix aus rockigeren Materialien wie beispielsweise Leder – alles in möglich. Und die kollektiven „Ich-Brauch-Jetzt-Unbedingt-Einen-Hosenanzug-Aufschreie“ in den Mode-Redaktionen der Republik lassen ahnen: „Jede Frau sollte nun einen Hosenanzug in ihrem Kleiderschrank haben.“
Fotos by Alwin Dombetzki | ALDO Magazin www.aldo.de